Paul Beck in Tansania

1. September 2015

Zwei Wochen Dar…

… und ich merke, dass es keine schlechte Idee gewesen wäre, ein bisschen mehr Zeit ins Lernen von Kiswahili zu investieren. So ist es nun leider nicht immer leicht, mich zu verständigen oder auf Fragen zu antworten, die mir z. B. beim Einkaufen, im Restaurant oder im Bus gestellt werden, oder auch bei anderen alltäglichen Konversationen.
Immerhin kann ich inzwischen ohne Probleme bei den Dukas (kleine Shops -> Bild) einkaufen, bei dem „Chipsy-Mann“ (Chipsy = Pommes), wie wir ihn nennen, etwas zu Essen bestellen. oder die Begrüßungsfloskeln wie „Mambo?“ (Wie geht es dir?), „Habari Gani?“ (Was für Nachrichten gibt es?) oder „Shikamoo“ (wörtlich „Ich küsse deine Füße“ –  wird für ältere Respektspersonen gebraucht) anwenden.

Beim Essen ist  jetzt schon „Chipsy Majaj“  mein Favorit:  – ein Omlett aus Eiern und Pommes, dazu gibt’s  ein bisschen Tomatensalat und ich bestell mir meistens noch ein wenig Fleisch dazu.

Die Arbeit in meinem Projekt bei TanCraft läuft jetzt auch an. So habe ich in Absprache mit meinen Mitfreiwilligen Lena und Marta für mich bereits zwei Schwerpunkte für die nächsten zwei Monate festgelegt:  zum einen die Organisation und Struktur rund um den neuen TanCraft Shop und zum anderen die Realisierung einer neuen Homepage und eines Onlineshops. Außerdem habe ich mir vorgenommen, in den nächsten Wochen auch ein paar der Frauen/Inhaberinnen der Kleinhandwerksbetriebe, die aktiver bei TanCraft mitwirken zu besuchen, um einen Eindruck von ihrem Business und ihren Bedürfnissen zu bekommen.
So langsam aber sicher komme ich hier jetzt auch im Alltag an. Ich fühle mich nicht mehr so stark als Tourist wie in der ersten Woche hier. Fahrten mit dem Dalla (Kleinbus) werden zur Normalität und haben nicht mehr den „Wow-Effekt“, wie es bei den ersten Malen noch war. Auch dadurch, dass ich mich zunehmend mehr alleine in Dar bewege, gewinne ich an Selbstbewusstsein und Sicherheit für meine bevorstehenden Aufgaben und Herausforderungen.
Übrigens stehen in Tansania Ende Oktober die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen an. Tansania ist bereits seit 1991 eine demokratische Präsidialrepublik (vergleichbar mit dem politischen System der USA). Die beiden großen Parteien CHADEMA und CCM betreiben jetzt schon einen richtig großen Wahlkampf. So sind wir an einer riesigen Wahlkampfveranstaltung der CCM vorbeigefahren, so fern ich mal fernsehe, sehe ich meistens etwas über die Wahlen und auf Plakaten, Kleidung oder auch auf den Bajajis (Dreiradtaxis) und Dallas sind oft die Farben der Parteien.

Einfach total super für mich, dass ich genau in diesem Jahr hier bin und die Wahlen samt Wahlkampf miterleben darf!

Ich hoffe, ich komme nächste Woche dazu mal ein paar erste Eindrücke in einem kleinen Video festzuhalten.
Bis dann – euer Paul

15. November 2015

Angekommen und Ausgepackt

Ein Bericht über eine besondere Beziehung. (Drei Monate Dar es Salaam, ein Quartalsbericht)

Ich bin frei! Nie zuvor in meinen 19 Lebensjahren habe ich so ein starkes Gefühl von Freiheit verspürt wie jetzt. Nie zuvor in meinem Leben war alles so anders, aber dadurch auch einfach nur spannend. Kein Tag ist wie der andere. Täglich neue Herausforderungen, Aufgaben, Menschen, aber auch täglich Situationen, die mich an mein Limit bringen.

Drei Monate Dar es Salaam und es kommt mir schon vor wie ein Jahr. Als ich an diesem einen 16. August aus dem Flieger gestiegen bin und das erste Mal Tansania erblickt habe, war alles noch fremd und anders. Auch wenn ich immer wieder Situationen erlebe, die mir nicht vertraut sind, täglich neue Erfahrungen mache und auch manchmal an das so gewohnte Deutschland zurückdenke, so habe ich mich hier schon super eingewöhnt und einen Alltag entwickelt.

Inzwischen ganz normal für mich, mit den Dalla Dallas (Kleinbussen) auch die entlegensten Winkel der Stadt abzufahren (oft steige ich unfreiwillig in das falsche Dalla Dalla ein) und das am Anfang so verwirrend erscheinende Liniennetz puzzle ich Stück für Stück in meinem Kopf zusammen. Morgens durch die Straßen Ubungos zu laufen und die Menschen um einen herum zu grüßen ist ebenso alltäglich wie Chipsy Majaj (=Pommesomlett) essen gehen beim Chipsy Mann meines Vertrauens.
Zugegebener Maßen läuft es mit der Sprache noch nicht so gut.

Der Lateiner würde sagen: „Mea Culpa“ (= meine Schuld), was der Tansanier sagen würde, weiß ich aber noch nicht.

Der in Vorbereitungsseminaren oft genannte Satz „Die Sprache ist der Schlüssel der Kultur“ hat durchaus seine Richtigkeit. Ich finde es sehr schade, dass ich noch keine wirklichen Gespräche führen kann. Trotzdem kommt es von Tag zu Tag zu weniger Verständigungsproblemen und mit meinen jetzigen Sprachkenntnissen, die ich immer noch mit „Swahili kidogo“ („Ein bisschen Swahili“) betitele, komme ich bisher gut über die Runden.

Es gibt auch vermehrt sogenannte „Endorphin-Momente“, in denen ich einfach nur unendlich dankbar und froh bin hier sein zu dürfen. Erinnern kann ich mich beispielsweise an einen Abend als ich mit dem Dalla Dalla von Bagamoyo (Kleinstadt ungefähr 30 Kilometer nördlich von Dar es Salaam) nach Hause gefahren bin. Ein anstrengender Tag mit viel Arbeit lag hinter mir und ich sehnte mich sehr nach meinem Bett. Als der Song „American Pie“ (von Don McLean) durch die Lautsprecherboxen dröhnte, waren wir gerade auf einer Anhöhe der Strecke angekommen, ich lehnte meinen Kopf aus dem Fenster und genoss den frischen Wind, der in mein Gesicht brauste. Vor mir sah ich schon die Silhouette von Dar es Salaam, links hatte ich einen traumhaften Ausblick über das weite Meer und rechts von mir ging die Sonne langsam im gelb-orangefarbenen Himmel unter. Einfach traumhaft. Mich überkamen die Endorphine so stark, dass ich angefangen habe laut mitzusingen.

Ok, das war jetzt vielleicht ein bisschen zu sehr romantisierend. Aber wirklich: spätestens in diesem Moment war mir klar

„Paul, du hast dich in diese Stadt verliebt.“

Was liebe ich an Dar? Das meiste kann ich nicht in Worte fassen, das ist ja oft so. Aber es sind die Momente, die Menschen und Begegnungen, die Lage…

Noch eine Geschichte: Es ist Mittwochnachmittag, 13:30 Ortszeit. Mit meiner Mitfreiwilligen Leah sitze ich bei unserem Chipsy Mann. Zwei Wochen noch bis zur Wahl, die Diskussion werden immer lauter. Um mich herum diskutieren eigentlich alle Menschen über die Wahlen. Leah erzählt mir gerade von ihrem Arbeitstag im Kindergarten, als plötzlich die Menschen um uns herum laut aufschreien und die wenigen Meter zur großen Nelson Mandela Road laufen. Natürlich bin ich neugierig und renne mit.
Mit dem was mich erwartet, hätte ich nicht gerechnet: Die CHADEMA (größte Oppositionspartei) veranstaltete eine große Straßenparade. Piki Pikis (Motorräder), Bajajis, Dalla Dallas und ganz viele andere Autos geschmückt mit den Parteifarben fahren in teilweise hoher Geschwindigkeit an mir vorbei. Die Straßenränder sind voll mit feiernden Menschen, ebenso die Fahrzeuge. Selbst Anhänger der CCM (Regierungspartei) können ein Lächeln nicht verbergen. Was da passiert erinnert mich an einen Fasnetsumzug in Oberschwaben, nur dass die Fahrzeuge natürlich weit schneller sind und statt „Zockler –OHA“ (Narrenruf meines Heimatdorfes Zussdorf), schreien die Menschen „People-Power“. Nach ein paar Minuten ist das Ereignis wieder vorbei und die Leute verschwinden großteils wieder in den Seitenstraßen. Als ich dann wieder zurück zu Leah an den Tisch sitze, grinse ich nur übers ganze Gesicht …

Aber wie in jeder guten Beziehung, gibt es auch hier in Dar für mich so genannte Hochs und Tiefs. Auch wenn ich nie und nimmer an Trennung denken würde und ein großer Konflikt bisher ausblieb, so sind einzelne Momente doch von Wut, Aggression, Unverständnis und hohem Druck geprägt.

Beispielsweise bei meiner Arbeitsstelle bei TanCraft. Es macht Spaß bei TanCraft zu arbeiten, weil ich mir sehr selbstständig meine Projekte aussuchen darf und weil die Mamas alle sehr nett sind und mich sehr gut aufgenommen haben. Ebenso wie man sich Mamas auch vorstellt. Genau diese Selbständigkeit sollte ich doch eigentlich genießen. Gerade diese familiäre Atmosphäre ist das, was ich gewollt habe.

Aber es gibt dann einfach Situationen, die mich stutzig machen. Situationen, die mich verunsichern. Situationen, die mich an meiner Arbeit zweifeln lassen.
So haben wir (damals noch mit Lena und Marta – zwei Austauschstudentinnen- , die aber inzwischen wieder in Deutschland/Polen sind) beispielsweise die letzten zwei Monate ziemlich viel Zeit, Mühe und Ideen in die Renovierung des neuen TanCraft Shops gesteckt. Im Endeffekt sind wir kurz vor dem Abflug der beiden GLEN Freiwilligen mit der Renovierung fertig geworden. Ein echt toller Shop ist entstanden. Modernes Design mit einfachsten Mitteln wie z.B. Holzkisten. Da ich immer schon ein Faible fürs Verkaufen habe, habe ich die Frauen gefragt, ob ich denn die ersten Wochen im Shop als Verkäufer tätig sein dürfte.

Und auch um neue, spannende Erfahrungen zu machen. Nun sitze ich gerade hier im DarFreeMarket, einem der größten Einkaufszentren Dar es Salaams und verkaufe alles von Kleidung über Honig bis hin zu Holzschnitzereien.

Die traurige Realität ist inzwischen, dass dieser Shop nach meiner Verkäuferzeit erst mal wieder schließen wird. Nach meiner Anfangseuphorie teilten mir die Frauen mit, dass sie sich keinen Angestellten leisten können beziehungsweise wollen, der im Shop die Produkte verkauft. Das war so eine Situation, in der ich einfach sprachlos war und in der ich keinerlei Verständnis hatte. Ja, eine Situation, die mich durchaus auch sauer gemacht hat. Ein anderes Mal sind es einfach Sätze, die zu mir gesagt werden. Sätze, die ich nicht verstehen kann und will. Beispielsweise „Paul, das ist nicht Europa, das ist Afrika.“ und nur, weil ich vorgeschlagen habe ein bisschen mehr Struktur einzuführen.

Allgemein ist bei TanCraft derzeitig nicht klar, wie es weitergeht. Mit einem sehr wichtigen Wechsel in der Vorstandschaft sind auch viele alte Strukturen weggebrochen und nun müssen dringend strukturelle und organisatorische Veränderungen kommen, um TanCraft am Leben zu erhalten. Allerdings sind die aktuellen Vorstände mit ihrer neuen Aufgabe im Moment noch etwas überfordert und es steht in den Sternen wie es weitergeht.
Nichtsdestotrotz geht das Leben und die Arbeit weiter.

„Einfach Kopf hoch und vorwärts schauen, Paul“.

So habe ich schon zwei interessante Projekte für das nächste Jahr entwickelt. Ein Wunsch der Frauen war, in Workshops mehr über Smartphones, Computer, Marketing, Businesspläne und auch Englisch zu lernen. Problem dabei ist bisher allerdings für viele Frauen die Zeit. Da schon sehr viel Zeit benötigt wird, um überhaupt zum Ort des Workshops zu kommen. Die Frauen einfach bei sich zuhause oder in ihren Shops zu besuchen und sie dort individuell in den gewünschten Bereichen zu schulen, erscheint mir somit als eine super Lösung. Und es ist spannend! So lerne ich Dar es Salaam noch besser kennen und habe mehr direkten Kontakt zu Tansaniern.

Darüber hinaus will ich einen Imagefilm über TanCraft drehen, der zu Werbezwecken verwendet werden kann. Mit Filmaufnahmen von Planung, Konzeption, Produktion und Verkauf, sowie Szenen, die TanCraft als Verband zeigen. Jedenfalls auch ein umfangreiches Projekt, mit viel Vor- und Nachbereitung. Was diese Projekte angeht, bin ich inzwischen sehr optimistisch und freue mich schon, wenn’s dann endlich losgeht.
Was ich schon etwas vermisse, ist die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Deshalb verbringe ich meine Freizeit gerne auch mit Besuchen in anderen Projektstellen. Für zwei sehr bedürftige Projekte, ein Kindergarten und ein Waisenhaus – beide hier in Dar es Salaam – will ich mich auch beim Spendensammeln noch engagieren. In den nächsten Wochen und Monaten werde ich verstärkt über diese Spendenprojekte berichten.

Aus Deutschland mitgenommen habe ich vor allem auch eines: Erwartungen. Wahrscheinlich eher so drei bis vier zu viele. Da ist eigentlich die Enttäuschung schon vorprogrammiert. Ich könnte jetzt jede einzelne Erwartung aufzählen, jede Vorstellung ausformulieren und dann abhaken, was erfüllt wurde. Genau diese Erwartungen sind aber irgendwie bereits auf dem Flug hierher viel kleiner geworden. Wie singt man so schön „Über den Wolken, muss die Freiheit wohl grenzenlos sein, doch alle Ängste und Sorgen sagt man, bleiben darunter verborgen und dann, würde was uns groß und wichtig erscheint, plötzlich nichtig und klein.“ Hey – genauso war es! Genauso ist es gekommen.

Komischerweise bin ich alles andere als enttäuscht, meistens bin ich glücklich und vor allem eines, was mir in Deutschland sehr oft gefehlt hat: ich bin entspannt. Sogar tiefenentspannt würde ich behaupten. Die Erfahrung zu machen, wie es ist ohne große Erwartungen und Ansprüche zu leben, ist großartig. Das Gefühl ist einzigartig.
Zusammenfassend: Trotz manchmal sehr herausfordernder Situationen, trotz Tiefs und trotz dem aktuellen, anstrengenden Wetter (Regenzeit = schwül, feuchtes, heißes Wetter), sage ich aus vollem Herzen:

Dar es Salaam, ich liebe dich!

euer Paul

22. Januar 2016

Heimat

Schon über 5 Monate bin ich von Zuhause, von Zussdorf weg. 5 Monate lang ohne Familie, Freundin und viele Freunde. 5 Monate ohne die Jugendarbeit. Das alles ist eigentlich das, was ich hier am meisten vermisse. Da kommt bei mir schon mal Heimweh auf. Heimweh!? Was für ein komisches, neues Gefühl. Fernweh kenne ich. Vor allem die letzten Jahre hatte ich immer wieder Fernweh. Auch mein Papa ist so ein Fernweh-Typ. Die Sehnsucht nach Neuem, Anderem. Die Sehnsucht nach der fernen, großen, weiten Welt. Jetzt bin ich in der fernen, weiten Welt. 10.000 Kilometer, wenn das nicht fern ist! Also das Fernweh erst einmal gestillt. Aber was ist jetzt mit dem Heimweh?

Was bedeutet Heimat? Was oder Wer definiert ein Zuhause?

Meine Frage ist auch gleichzeitig Teil der Antwort. Zuhause wird nicht nur von Landschaft, Haus und dem Heimatgefühl geprägt, sondern eben auch von dem „Wer?“, von den Menschen. Alle ihr, die ihr den Blogeintrag gerade lest seid auch meine Heimat.

Und doch habe ich jetzt eine zweite Heimat. Nachdem ich im Dezember eine große Strecke in Afrika gereist bin, war das Gefühl in meiner WG in Ubungo anzukommen, fast schon so als würde ich über die letzte Anhöhe über Hasenweiler fahren und dann das wunderschöne Rotachtal erblicken. Wenn ich zu Hause in Ubungo auf der Couch sitze, fühle ich mich wohl. Bei den Menschen hier fühle ich mich geborgen. Es gibt immer noch etwas Fremdes, etwas Unentdecktes. Aber das gibt es auch in Zussdorf – wenn auch nicht in dieser Intensität.

 Ich bin glücklich, sehr glücklich. Das Heimweh macht mich nicht unglücklicher. Denn durch das Heimweh habe ich auch schon etwas ganz Wichtiges gelernt: Meine Heimat bewusster wahrzunehmen, mich auf die schönen Dinge zu konzentrieren, die tollen Momente bewusster leben zu wollen und vor allem habe ich Freundschaften und Familie mehr zu schätzen gelernt. Ich habe einmal mehr gelernt, was für mich wichtig ist im Leben.

 Wisst ihr was? In Swahili wird für „erinnern“ und „vermissen“ das gleiche Wort gebraucht (kukumbuka). So ist es doch gleich, ob ich etwas in schöner Erinnerung behalte oder vermisse. Im Endeffekt kommt es aufs Selbe raus: Ich bekomme ein kribbelndes Gefühl im Bauch, manchmal macht es mich ein bisschen traurig, aber das zeigt mir nur, wie glücklich ich eigentlich war und bin.

Euer Paul

9. April 2016

Update aus Ubungo

Liebe Blog-Leser,
zwar versuche ich regelmäßig zu schreiben, in letzter Zeit fehlte mir aber leider die Motivation dazu. Jetzt ist mir gerade aufgefallen, dass ich schon eine gefühlte Ewigkeit nichts mehr über meinen Alltag geschrieben, geschweige denn Videos hochgeladen habe.
Inzwischen bin ich schon über sieben Monate in Tansania und habe natürlich einiges erlebt, mich super eingelebt und auch schon die eine und andere Tiefphase überstanden. Man könnte sagen, ich bin voll im Leben hier angekommen. Eine gewisse Normalität ist eingekehrt, Euphorie an manchen Stellen, Enttäuschung und Ernüchterung an anderen.

Leider läuft es bei TanCraft immer noch nicht wirklich besser. Die Situation hat sich aus meiner Sicht sogar eher verschlechtert. Die Frauen treffen sich nur noch selten zu Meetings, außer dem geschlossenen Shop und Ausstellungen, die erst in einem halben Jahr stattfinden, gibt es keine Tagesordnungspunkte und leider gibt es immer häufiger Streit unter den Frauen.

Es gibt aber auch ein paar Lichtblicke. Ich werde ab jetzt 2-3 Tage in der Woche offiziell in anderen Projekten in Dar und Umgebung mitarbeiten – und zwar in verschiedenen Projekten: in einem Waisenhaus, einem Jugendzentrum, einem Kindergarten und auch für meine Organisation „Kawaida e.V.“, für die ich einen organisatorischen Bereich in Dar es Salaam übernehmen darf.

Doch auch bei TanCraft zeigt sich für mich ein Hoffnungsschimmer: meine Vermieterin Mama Lina, die den Posten der Chairlady vor einem Jahr aufgegeben hatte, arbeitet wieder aktiv bei TanCraft mit. So durfte ich mit ihr unter anderem schon zu Meetings mit der Tanzania Privat Sector Foundation, zum „2. Tansanisch-Vietnamesischen Wirtschaftsforum“ mit dem Präsidenten von Vietnam und dem Premierminister von Tanzania und auch in die chinesische Botschaft wurden wir zu einem kurzen Treffen eingeladen. Außerdem bekomme ich von ihr auch hin und wieder kleinere und größere Aufträge.

Obwohl ich mich inzwischen gut eingelebt habe, ist von Alltag eigentlich nicht wirklich zu sprechen. Im neuen Jahr besuchten mich schon ein paar meiner Freunde aus Deutschland. Luci und Luki besuchten mich zusammen mit Hannah und Carla im Zuge ihrer quer-durch-Afrika-Reise und ich durfte mich das erste Mal als Dar es Salaam-Reiseführer ausprobieren. Mit meinem Cousin Marius verbrachte ich einige ereignisreiche Tage in Dar es Salaam und auf Zanzibar. Zurzeit ist meine Freundin Anna zu Besuch, mit der ich auch schon das ein oder andere Aufregende erlebt habe, gerade reisen wir noch ein bisschen rum. Es ist wirklich schön, vertrauten Menschen aus der Heimat meine derzeitige Heimat zu zeigen, es lindert mein Heimweh und gleichzeitig steigert es meine Vorfreude auf daheim!

Ich könnte so viel erzählen und von so vielen Erlebnissen berichten – aber ich brauche ja auch noch etwas zu erzählen, wenn ich wieder daheim bin. Trotzdem versuche ich, ab jetzt wieder häufiger zu schreiben und ein paar Bilder zu posten.
Tutaonana – Wir sehen uns!

Euer Paulo

27. April 2016

Was ist wirklich selbstverständlich?

Es ist 6 Uhr morgens, in weiter Ferne kräht irgendwo ein Hahn, vor ungefähr einer halben Stunde ist die Sonne aufgegangen und ich bin schon hellwach. Unmenschlich so früh morgens aufzustehen. Aber die Hitze ist gerade jetzt im Februar teilweise unerträglich für mich und vor allem habe ich heute noch so viel vor. Schnell geduscht, angezogen und raus aus dem Haus. Ich bin schon etwas spät dran, um 9 habe ich ein Meeting. Halb verschlafen steige ich in das überfüllte DallaDalla (Kleinbus), kaum ist der Bus einen Kilometer gefahren stehen wir schon im Stau.

Eigentlich ist das inzwischen Alltag für mich, seit sieben Monaten wohne ich in Dar es Salaam, der größten Stadt Ostafrikas. Aber bis so ein Morgen zum Alltag geworden ist, hat es seine Zeit gedauert. Einleben in einem fremden Land, mit fremder Kultur, neuer Sprache und neuen Leuten benötigt halt seine Zeit. Aber warum eigentlich?

Kaum war ich einen Tag in Dar angekommen, gab es Stromausfall. Ein paar Stunden später ist auch noch das Wasser weg da die Pumpe ja auch Strom benötigt. Das Ganze geht fast 30 Stunden und viele selbstverständlichen Dinge sind dann nicht mehr möglich: Kein Handy oder Laptop, man kann nicht kochen, nicht duschen, nicht auf die Toilette gehen (es gibt ja kein Wasser zum Spülen), nachts gibt es kein Licht, sowas einfaches wie Händewaschen wird plötzlich zur Herausforderung. Meine Mitbewohnerin und ich waren total überfordert. Stromausfall jeden zweiten Tag!? Und dann auch noch ohne Wasser!? Sieben Monate später eine Selbstverständlichkeit. Wir haben gelernt damit umzugehen weil wir Menschen wie unsere Vermieterin beobachtet und gefragt haben. Kerzen gegen die Dunkelheit, Wasser holen aus der Nachbarschaft, mit einem Gasherd kochen und Bücher lesen oder sich einfach nur nett unterhalten, ist für uns jetzt selbstverständlich.

Aber auch kulturell passieren immer wieder und immer noch Dinge, die mich in meinem natürlichen Verständnis verwundern, überraschen, ärgern oder vor den Kopf stoßen.

Nachdem ich gerade mal drei Wochen hier war, gab es beispielsweise so eine Situation. Ich fuhr mit dem Bus in das Einkaufszentrum, in dem ich arbeite. Der Conductor (sammelt das Geld im Bus ein und schreit die Haltestellen aus) gab mir mein Wechselgeld nicht wieder. Ich hatte schon von solchen Situationen gehört. Einziger Gedanke in meinem Kopf: „Der zieht mich über den Tisch. Vermutlich nur, weil ich weiß bin. Aber ich weiß, wie das läuft. Das lasse ich nicht mit mir machen!“ Als er an mir vorbeiging, fragte ich ihn mit harschem Ton: „Changi yangu ipo wapi?“ (Wo ist mein Wechselgeld?). Er antwortete mir, aber ich verstand einfach nichts. Da wurde ich wütend und konnte wirklich keinerlei Verständnis zeigen. Wie selbstverständlich ist es denn bitte, dass man das Wechselgeld gleich zurückbekommt!?

Wenn ich heute daran zurück denke, kann ich nur lachen. Besonders wenn man in den Bussen mit großen Scheinen zahlt, haben die Conductors nicht immer das passende Wechselgeld und sammeln weiter Geld ein, bis sie es zusammen haben. Dann gibt es auch welche, die erst das Geld einsammeln und dann allen das Wechselgeld geben. Und überhaupt war es nicht gerade freundlich von mir, mit einem 10.000 Schilling Schein zu bezahlen, da es manchmal eine ziemliche Herausforderung für die Conductors ist, für alle im Bus Wechselgeld zu haben.

Kultureller Austausch bedeutet auch, die eigene Perspektive zu erweitern und sich zu lösen von Vorurteilen, festgefahrenem, einseitigen Geschichten und der Vorstellung dass es nur eine Wahrheit gibt. Was ist dann überhaupt noch selbstverständlich?

 (Ein Bericht den ich für das Magazin der KLJB Rottenburg-Stuttgart „Schaschlik“ geschrieben habe)

Euer Paul

13. Juni 2016

The Bare Nessecities oder auch: Paul’s Balu-Philosophie

Oh Mann. Nun sitze ich seit zwei Stunden ununterbrochen im Stau. Ich war bei einer „Mama“ von TanCraft zu Besuch und bin jetzt auf dem Heimweg. Aber ungelogen seit zwei Stunden geht im Verkehr überhaupt nichts voran. Aufgeregt zapple ich mit meinen Beinen, trommle mit meinen Händen auf den Oberschenkeln und beobachte aufmerksam die Menschen, die am Bus vorbeigehen. Neben mir sitzt ein älterer Mann, der mich nach einer Weile anspricht. Eigentlich will ich nur heim und mich jetzt nicht noch mit anderen Leuten unterhalten – der soll mich doch einfach in Ruhe lassen und der Bus soll endlich losfahren! Aber er fragt immer mehr und aus Höflichkeit wage ich es nicht, nicht darauf zu antworten. Erst will er wissen, woher ich komme, dann wie viele Geschwister ich habe, ob ich an Gott glaube, warum ich Swahili spreche, wie alt ich bin, was ich arbeite – er hört einfach nicht auf. Das lenkt mich nicht wirklich ab, im Gegenteil! Und dann fragt er mich, warum ich denn so aufgeregt bin. Ich antworte ihm, dass ich eigentlich nur heim wolle, dass ich den Verkehr in Dar anstrengend finde, dass der Tag schon sehr anstrengend war … Schließlich frage ich ihn, ob ihn das alles denn nicht auch nervt, er antwortet nur „nein“ und muss lachen.
Das war vor ein paar Monaten.

 

In dieser Situation war mir das letztendlich dann ziemlich egal – ich dachte nicht mehr drüber nach. Bis ich das nächste Mal im Stau stand. Warum sagte er einfach nein und lachte? Gefällt ihm der Stau etwa? Wahrscheinlich nicht. Ich habe bis heute keine Ahnung, warum er „Nein“ gesagt hat. Aber trotzdem versuchte ich, an diesem Abend mit einer anderen Einstellung an die Sache zu gehen.
„Paul, ist doch egal, wann du daheim ankommst, es gibt Wichtigeres im Leben, du hast doch heute Abend eh nichts mehr vor.“ Und das klappte! Plötzlich fühlte ich mich wohl im Stau, war viel ruhiger und war sogar noch als ich zuhause ankam super drauf. Und das alles nur durch meine Gedanken, verrückt!

Als ich vor ein paar Wochen mit Freunden im Kino war, fiel mir die Situation wieder ein, obwohl sie schon Monate her war. Warum? Wir waren in der Disney-Neuverfilmung des „Dschungelbuchs“ und mit dem Bär „Balu“ begegnete mir im Film ein Held meiner Kindheit. Und seine Lebenseinstellung, seine Philosophie erinnerte mich an mein „Gedankenspiel“ im Bus und den entspannten älteren Mann, der mich nur angelacht hat.

Es gibt Momente, in denen fühle ich mich wie ein Balu: relaxed, glücklich, optimistisch – einfach als wäre mein ganzer Körper gefüllt mit guter Laune. Diese Momente möchte ich am liebsten anhalten oder zumindest öfter erleben. Diese Momente sind erfüllend, sie sind geradezu essenziell für mich.

Hier, bei uns zuhause in Ubungo kaufe ich eigentlich immer nur ein, was ich konkret brauche. Direkt, zehn Meter von unserem Eingangstor entfernt, gibt es drei kleine Läden, drei „Dukas“ (heißt Einkaufsladen übersetzt). Dort bekomme ich Gemüse, Obst, Getränke, Hygieneartikel, Lebensmittel, Haushaltswaren und was man sonst Alltägliches braucht. Da ich das alles direkt vor meiner Haustüre habe, kaufe ich nie viel ein. Wenn ich etwas kochen will oder Durst habe, gehe ich kurz zur Duka. Auf Vorrat kaufen Leah (meine Mitbewohnerin) und ich fast gar nichts. Ganz plump zeigt das mir, wie wenig wirklich notwendig wäre. In meinem Zuhause in Deutschland haben wir einen Vorratskeller, der meist gut gefüllt mit irgendwelchen Lebensmitteln ist, nicht selten wird das Eine oder Andere mal schlecht oder ist nicht mehr genießbar. An meinem hier erlernten Einkaufsverhalten sehe ich: es funktioniert auch so!

Klar gibt es mal einen Tag, an dem es keine Nudeln (oder Anderes nicht) mehr gibt und da wäre ich froh, ich hätte welche auf Vorrat gekauft – aber dann gibt’s halt Reis, Pfannkuchen, Toastbrot oder ich gehe zum Chipsy-Mann. Satt und zufrieden bin ich dann trotzdem und ich habe den „Wert“ von z. B. Nudeln ganz anders kennengelernt – ich habe die Nudeln dadurch geradezu schätzen gelernt.

Anderes Beispiel zu meinen Lebensumständen hier im Vergleich mit Zuhause: Letztes Jahr hatte ich daheim ein zwar sehr altes, aber eigenes Auto. Ich konnte jederzeit dort hinfahren, wo ich hin wollte. Ein Auto bedeutete für mich eine zuvor nie so dagewesene Freiheit. Auf öffentliche Verkehrsmittel oder andere Alternativen habe ich in dieser Zeit meist verzichtet – aus Bequemlichkeit, bei Kurzstrecken vor allem aus zeitlichen Gründen. Ist auch nervig in Zussdorf, wenn man seinen Tag anhand des Busplanes planen muss.

Ein paar Faktoren haben hier bei mir zu einem Umdenken geführt: Wie nervig wäre es doch mit einem Auto in Dar es Salaam!

In den Morgenstunden und im Feierabendverkehr staut es auf den Hauptstrecken und den Kreuzungen meistens, mit dem Bajaji (TukTuk) zu fahren oder auch manchmal einfach zu Fuß zu gehen, ist weit einfacher. Und ob ich mit einem Auto oder mit einem Dalla Dalla (Kleinbus) fahre – Stau bleibt Stau! Außerhalb der Hauptverkehrszeiten ist es außerdem richtig entspannt, mit einem Dalla Dalla durch die Stadt zu fahren, es gibt zwar keinen Busplan und somit auch keine Abfahrtszeiten, der „Streckenplan“ ist am Anfang echt schwer zu verstehen und hin und wieder steige ich auch in ein total überfülltes Dalla Dalla eingequetscht zwischen vielen Menschen ein. Aber sehr selten muss ich lange auf einen Bus warten, der in meine gewünschte Richtung fährt. Das Bussystem habe ich inzwischen verinnerlicht – nachdem ich anfangs des Öfteren in das falsche Dalla gestiegen bin, habe ich gelernt nachzufragen. Außerdem lernt man die Stadt eh viel besser kennen, wenn man immer mal wieder einfach in ein zufälliges Dalla Dalla steigt und eine Strecke fährt, die man nie davor gefahren ist. Überfüllte Dalla Dallas gehören für mich inzwischen genauso dazu wie lange Stauwartezeiten. Daran habe ich mich gewöhnt.
(Anmerkung: Natürlich freue ich mich trotzdem über einen Sitzplatz im Bus und über eine freie Strecke!)

Mit der Zeit habe ich mich immer öfter gefragt, was ich in Deutschland vermissen werde, wenn ich wieder daheim bin. Ich glaube, so wirklich kann ich das gar nicht absehen und muss es einfach auf mich zukommen lassen. Eine Sache fällt mir allerdings immer wieder auf: Wenn ich auf der Straße unterwegs bin, egal wohin und meist auch egal zu welcher Tageszeit, werde ich von den Menschen gegrüßt und grüße auch selber die Menschen. Man nimmt sich kurz Zeit für einander, nicht selten bleibe ich sogar stehen und unterhalte mich kurz mit den Menschen. Der Stellenwert der Begrüßung spiegelt sich auch in der Sprache wieder. So gibt es viele verschiedene Begrüßungsformen bzw. -rituale, die sich auch immer noch weiterentwickeln.

Im Februar/März hatte ich ein ziemliches Tief, irgendwie fühlte ich mich nicht gut, irgendwas stimmte nicht. Da kam vieles zusammen. Einen der Hauptgründe finde ich rückblickend sehr interessant. Damals hatte ich das Gefühl, noch keine richtigen tansanischen Freunde gefunden zu haben. Zu oberflächlich waren mir die Freundschaften, die ich bis dahin geschlossen hatte. Gleichzeitig hatte ich das Gefühl, dass niemand meiner Mitfreiwilligen mich richtig verstand – irgendwas fehlte. Ich erkannte, wie wichtig soziale Kontakte für mich sind, wie lebensnotwendig sie für mich sind!

Ein bisschen rege ich mich über den Paul von damals auf. Auf der einen Seite habe ich meine Freundschaften hier zu wenig wertgeschätzt, sowohl zu Tansaniern als auch zu meinen Mitfreiwilligen hin. Inzwischen bin ich mir sicher, dass nicht wenige der Freundschaften auch nach meinem Jahr hier noch erhalten bleiben. In der Zeit hier habe ich einige Menschen echt lieb gewonnen und ich habe gelernt, ihnen zu vertrauen. Auf der anderen Seite habe ich gemerkt, dass ich damals der passive Teil der Freundschaft war, ich sah meine Freunde in der Bringschuld. Ich habe inzwischen gelernt, dass es gut tut, Initiative zu ergreifen – auch regelmäßig die aktive Rolle in einer Freundschaft zu ergreifen. Und ich habe jetzt während des Reflektierens einmal mehr gemerkt, wie wichtig mir meine Freunde sind, wie gut mir soziale Kontakte tun.

Noch eine kleine Anekdote zum Schluss: Vor drei Wochen war meine Familie zu Besuch. Nach Kilimanjaro, Dar es Salaam, Safari im Mikumi Nationalpark und ganz vielen Erlebnissen verließen wir das Festland Richtung Zanzibar. In Zanzibar Stadt (manchen von euch vermutlich eher bekannt als Stone Town) erkundeten wir gemeinsam ein bisschen die Stadt – einer meiner Lieblingsorte ist ein schöner Markt im Herzen von Zanzibar Stadt. Zuvor war ich sicherlich schon fünf Mal in dieser Markthalle mit den unterschiedlichsten Leuten. Als wir dort eintraten, gingen Mama, Katja und Lara ohne große Worte ziemlich schnell wieder hinaus. Warum? Sie meinten wegen des Geruchs und sie hatten auch schon die frisch geschlachteten Tiere entdeckt. In einem großen Teil der länglichen Halle werden frisch geschlachtete Tiere verkauft, nicht nur das Fleisch, man kann auch Felle/Häute, die Beine, den Kopf oder beispielsweise auch Ziegenhörner kaufen. Also wirklich das ganze Tier! Und obwohl alle drei Fleisch essen, ekelte es sie, das zu sehen und zu riechen. Ich hatte vollstes Verständnis dafür, in Deutschland fehlte mir in der Regel der direkte Bezug zum Tier. Wenn ich beispielsweise ein vakumiertes Stück Steak kaufte oder einen Wurstsalat aß, dachte ich nicht wirklich darüber nach, was ich da vor mir hatte. Nur der Geschmack/Genuss spielte eine Rolle, die Zubereitung oder wie zart das Fleisch ist. Woher kommt es, wie wurde es geschlachtet? Oder wie viel Fleisch esse ich eigentlich? Diese Erfahrung hat mir gezeigt, dass Fleisch nicht lebensnotwenig für mich ist, wie wichtig mir aber meine eigene Moralvorstellung geworden ist. Ich will mir kein Tabu setzen, will nicht Vegetarier werden, das stelle ich mir als zu drastischen Schritt für mich vor. Dazu mag ich den Geschmack und viele Fleischgerichte zu gerne und ich sehe Tiere schlachten auch nicht unbedingt als unmoralisch an. Aber ich will Fleisch viel bewusster konsumieren, mich mehr mit der Herkunft des Fleisches beschäftigen und auch meinen Fleischkonsum minimieren. An dieser Stelle auch meine Hochachtung an alle Vegetarier und Veganer – auch und vor allem für eure konsequente Einstellung!

Seit nun mehr als neun Monaten lebe und arbeite ich in Tansania. Was das alles so bedeutet, war mir am Anfang gar nicht so klar. Auf einen Schlag haben sich mein Alltag, mein Leben, einige Gewohnheiten und auch andere, ganz simple Sachen verändert. Und nach und nach fällt mir auf, was sich alles so verändert hat. Dinge, die mir doch früher so wichtig waren, sind plötzlich nichtig oder unbedeutend. Und wiederum spielen andere Themen eine viel größere Rolle. Ich schärfe den Blick für die Dinge, die mir wirklich wichtig sind. Langsam, nach und nach kristallisiert sich einiges wirklich Lebensnotwendige für mich heraus.

An dieser Stelle komme ich auf Balu zurück. Ich bewundere seine Zielstrebigkeit und seinen Fokus für die für ihn wichtigen Dinge. In seinem Song „The Bare Nessecities“* (zu Deutsch: Das Lebensnotwendigste) besingt er seine Lebenseinstellung „Look for the simple Bare Nessecities, but the Bare Nessecities will come to you“ („Schau nach dem einfach Lebensnotwendigsten, aber es wird zu dir kommen“). Und das alles mit einer absolut positiven Lebenseinstellung „Forget about your worries and stress/Just try to relax“ (Vergiss deine Sorgen und Ängste/Versuch dich einfach zu entspannen.)
Und genau deshalb ist das hier meine ganz eigene Balu-Philosophie. Die Suche nach meinem Lebensnotwendigsten. Mein Versuch, meinen Fokus auf das Lebensnotwendigste zu schärfen – so wie es Balu macht.

Und zuletzt noch eine tolle Strophe aus der deutschen Übersetzung: Was soll ich woanders, wo‘s mir nicht gefällt. Ich will nicht fort von hier, von dieser Welt!

 *Die deutsche Übersetzung „Probiers mal mit Gemütlichkeit“ ist euch wahrscheinlich eher bekannt.